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Die Wütenden

Hier präsentierten wir die Ergebnisse unserer Studie, die auf die Arbeit von More in Common Deutschland aufsetzt.

Eine illustrative Darstellung zum Gesamttyp

Die Wütenden unterscheiden sich von der Mehrheit der Typen in ihrer Meinung, dass erst einmal andere Länder etwas für den Klimaschutz tun sollten. So sind 66 % der Wütenden der Ansicht, dass Deutschland bereits genug für den Klimaschutz tut und erst einmal andere Länder handeln sollten, verglichen mit nur 44 % im Durchschnitt aller Befragten. 

Diese Erwartung einer Vorleistung anderer Länder bei den Wütenden ist ebenfalls im Verständnis einer global gerechten Verteilung des Klimaschutzbeitrags zu spüren. So sind 56 % der Wütenden der Ansicht, dass grundsätzlich alle Länder in der Welt den gleichen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten sollten. Bei allen anderen Typen stimmen weniger als die Hälfte dieser Aussage zu.

Abbildung 22: Einstellungen zu unterschiedlichen Aussagen zum Klimawandel

Die Wütenden sind am wenigsten besorgt über das Tempo politischer Maßnahmen und halten die Mitbestimmung der Bevölkerung für wichtiger als alle anderen Typen. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass sie ihrem Gefühl nach kein Mitspracherecht haben. Mehr als zwei Drittel der Wütenden sind der Ansicht, dass die Regierung keine Maßnahmen zur Klimaneutralität ergreifen sollte, ohne die Öffentlichkeit in Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen. Deutlicher als alle anderen Typen fühlen sich die Wütenden stark von der Politik bevormundet und sind der Meinung, dass es mehr Möglichkeiten der politischen Mitbestimmung in Deutschland braucht. Die systemkritische Grundhaltung der Wütenden kommt also bei Klimafragen sehr stark zum Ausdruck.

Das finde ich halt unehrlich, an den kleinen Mann zu appellieren, zu sagen, du musst machen, es scheitert, weil du nicht genug machst, dann aber diese großen Kooperationen immer wieder Verlängerungen bekommen, um alte Prozesse weiter am Laufen zu halten."

Die Wütenden sind der Meinung, dass Fridays for Future zu viele Proteste und zu viel Präsenz in den Medien haben. Sie sind strikt dafür, das Thema Klimakrise nicht zu dramatisieren, was sich gut im Feindbild FFF (“grüne Sekte”) erkennen lässt. Greta Thunberg ist bei den Wütenden am unbeliebtesten. Zum Vergleich: Die anderen Segmente schenken ihr ähnlich viel bzw. wenig Vertrauen wie Olaf Scholz.

Da kleben sich irgendwelche sogenannten Aktivisten auf der Straße fest, behindern Menschen, dass sie zur Arbeit kommen. Es bildet sich ein Stau von sieben Kilometern Länge und was da an Abgasen natürlich bei entstehen, wie gesagt, ich finde es ziemlich sektenhaft, was da abgeht. Die ganze Klimasache wird da zu übertrieben."

Die Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf andere Bereiche werden von den Wütenden von allen Typen am deutlichsten pessimistisch gesehen, wobei positive Co-Benefits für die Gesundheit von Mensch und Natur durchaus erkannt werden. Insgesamt ist wenig Bewusstsein vorhanden, was die positive Wirkung von Klimaschutzmaßnahmen auf weitere Bereiche des Lebens, z. B. internationale Wettbewerbsfähigkeit oder gute Arbeitsplätze, betrifft. Gleichzeitig ist eine klimafreundliche Lebensweise für die Wütenden ein etwas weniger wichtiger Aspekt des guten Lebens in zehn Jahren

Abbildung 23: Bewusstsein von und Einstellungen zu Co-Benefits

Die Wütenden sind der einzige Typ, bei dem sich tendenziell etwas mehr der Befragten dafür aussprechen, dass die Wirtschaft Vorrang vor dem Klimaschutz haben sollte (50 % denken, die Wirtschaft sollte Vorrang haben, gegenüber 45 %, die sagen, dass der Klimaschutz Vorrang haben sollte).

Der Binger Mäuseturm, normalerweise nicht zu Fuß zu erreichen, wurde aufgrund des historisch niedrigen Wasserstands des Rheins zu einer Touristenattraktion, 2018.

Chance

  • Politikmaßnahmen gegen die Klimakrise werden von allen Typen, auch den Wütenden, unterstützt: Die gute Nachricht ist, dass selbst der gesellschaftliche Typ, in dem am ehesten populistische und grundsätzlich misstrauische Einstellungen zu finden sind, viele Klimaschutzmaßnahmen an sich nicht blockiert. Die Wütenden sind der Meinung, dass Politikmaßnahmen wie z. B. verbindliche Klimaschutzstandards für die Wirtschaft, eine Subventionierung klimafreundlicher Produkte und selbst das Verbot besonders klimaschädlicher Produkte prinzipiell in die richtige Richtung gehen. Dies ist ein ermutigendes Zeichen für Entscheider:innen, dass sie mit der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen nicht vor der öffentlichen Meinung zurückzuscheuen brauchen, sondern ganz grundsätzlich ein Mandat des Großteils der Bevölkerung haben, die Klimakrise konkret anzugehen.

Risiken

  •  Vorsicht vor fehlender Mitbestimmung – durch rechtzeitige Beteiligungsformate die Bedenken zu Wort kommen lassen: Politische Teilhabe und Mitbestimmung sind für diesen Typ von zentraler Bedeutung. Für die Wütenden muss Klimapolitik neue, authentische Formen der Partizipation fördern, die ihnen wirklich das Gefühl geben können, gehört und in ihren Meinungen von Entscheidungsträger: innen ernst genommen zu werden. Mitbestimmungsformate, die hingegen nur oberflächlich oder viel zu spät an den Interessen der Bevölkerung interessiert sind, tragen ein hohes Risiko, dass die Wütenden sich übergangen und noch mehr bevormundet fühlen.
  • Vorsicht vor Überbetonung der lauten Stimmen – Konfliktaufladung gezielt entgegenwirken: Da bei der Breite an Wertvorstellungen in Deutschland unterschiedliche Meinungen bezüglich der “richtigen” Vorgehensweise beim Klimaschutz aufeinanderprallen werden, ist es wichtig, dass partizipative Formate so gestaltet und Mitarbeitende ausreichend geschult sind, um diese Spannungen nebeneinander gelten zu lassen und auszuhalten. Klimaschutzdiskussionen sollten deshalb von ausgebildetem Personal geführt werden, das in der Lage ist, Kulturkampfpotenziale rechtzeitig zu erkennen und Debatten zu deeskalieren, bevor es zur Frontenverhärtung kommt. Hier liegt es an Politik und Verwaltung, hochqualitative Formate anzubieten, die einen offenen Gesprächsmodus erlauben und gesellschaftliche Debatten lösungsorientiert vorantreiben.

Empfehlung

  • ‘Die Mächtigen sollten den größten Beitrag leisten’: Die Wütenden befürchten, dass beim Klimaschutz die Last allein auf die Schultern der Bevölkerung gelegt wird. So möchten viele, dass mächtige Akteure und große Unternehmen den Großteil der Arbeit übernehmen. Dieser Typ fühlt sich am ehesten von Aussagen angesprochen, die die Notwendigkeit betonen, die großen Umweltverschmutzer zu besteuern und sicherzustellen, dass jede:r (entsprechend ihrer/seiner Rolle bei der Verursachung des Problems) seinen Beitrag leistet.

Weiter:
In die Praxis umsetzen

 

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