Einstellungen zur Klimakrise und Klimapolitik
Einige Erkenntnisse über die Einstellung zum Klimawandel sowie Wünsche an eine gute Klimapolitik wurden bereits durch die Klimastudie von More in Common erforscht und zusammengefasst. Hier präsentierten wir die Ergebnisse unserer Studie, die auf die Arbeit von More in Common Deutschland aufsetzt.
Was wünschen sich die Typen von deutscher Klimapolitik?
Über alle Typen hinweg ist deutlich, dass gute Klimapolitik in erster Linie bezahlbar sein muss: Zwei Drittel aller Befragten wählten den Aspekt „für den Verbraucher/die Verbraucherin bezahlbar“ als eines ihrer drei wichtigsten Merkmale deutscher Klimapolitik. Über alle Typen hinweg gaben so 67 % der Befragten an, dass die Bezahlbarkeit zu den wichtigsten Merkmalen von guter Klimapolitik in Deutschland gehört.
Ängste und Sorgen bezüglich der Belastung einzelner Personen, wenn es darum geht, Klimaneutralität zu finanzieren, sind also offensichtlich weit verbreitet.
Bei Amazon kriege ich es viel billiger, als wenn ich in den Laden rennen würde. Klar ist es scheiße, dass Autos wieder fahren, mir die Pakete liefern. Aber man hat ja wirklich keine andere Wahl. Man muss gucken, wie man sparen kann, wenn man schon wenig Geld hat. Und dann macht man es halt.“
Enttäuschte
Merkmal 2: Sozialverträglichkeit
Der zweitwichtigste Faktor ist die Sozialverträglichkeit der Klimapolitik: Eine gerechte Verteilung der Kosten und Lasten, die für viele Menschen unausweichlicher Teil der Transformation sein werden, ist für 44 % der Bevölkerung einer der wichtigsten Aspekte bei der Ausrichtung zukünftiger Klimapolitik. Beim genaueren Blick zeigt sich, dass bei vier der sechs Typen die Sozialverträglichkeit der am zweithäufigsten genannte Aspekt ist. Lediglich den Pragmatischen und den Wütenden sind andere Aspekte als die Sozialverträglichkeit wichtiger: So befürworten die Pragmatischen eher eine technologisch moderne Klimapolitik und die Wütenden sprechen sich wesentlich deutlicher für eine von der Bevölkerung mitbestimmte Politik aus.
Merkmal 3: Mitbestimmung durch die Bevölkerung
Wenn auch nicht so deutlich wie bei den Wütenden spielt Mitbestimmung bei den meisten Typen eine wichtige Rolle. Unter allen Typen – mit Ausnahme der Involvierten – sehen fast ein Drittel der Befragten die Mitbestimmung der Bevölkerung als einen der drei wichtigsten Aspekte deutscher Klimapolitik an. Diese Aussage wird durch die Erkenntnis bestärkt, dass die Menschen grundsätzlich mehr Möglichkeiten politischer Mitbestimmung wollen: So sind zwischen 73 % und 89 % der Befragten aller Typen der Ansicht, dass es mehr Möglichkeiten der politischen Mitbestimmung für Bürgerinnen und Bürger beim Klimaschutz braucht. Stark vertreten in diesem großen Anteil der Bevölkerung sind vor allem jene Typen der Enttäuschten und Wütenden, die momentan nicht das Gefühl haben, politische Entscheidungen beeinflussen zu können, und die sich auch am ehesten „zu stark von der Politik bevormundet“ fühlen.
Was verstehen die einzelnen Typen unter gerechter Klimapolitik?
Wenn wir über Klimaschutz sprechen, dann sprechen wir nicht nur über wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern zwangsläufig auch über eine soziale Realität. Unter einer sozialen Realität wird die Wahrnehmung unserer Welt verstanden, die stark von eigenen Werten, Weltsichten und Zugehörigkeitsgefühlen beeinflusst wird. Dabei spielen häufig auch unterschiedliche Gerechtigkeitsempfinden eine Rolle, die einen maßgeblichen Einfluss darauf haben können, was für die unterschiedlichen Typen „gute“ oder „schlechte“ Klimapolitik ausmacht.
Im Rahmen dieser Studie wurden dafür folgende ausgewählte Gerechtigkeitsverständnisse untersucht:
- Das „polluter pays“-Prinzip (die Position, dass die, die mehr zur Klimakrise beitragen, für die Beseitigung der Schäden in stärkerem Maße aufkommen müssen als die, die weniger Emissionen verursachen),
- gerechte Lastenverteilung nach Einkommen (wer ein höheres Einkommen hat, muss sich in stärkerem Maße an der Finanzierung von Klimaschutz beteiligen als Menschen mit geringerem Einkommen),
- das Prinzip der Generationengerechtigkeit (die Position, dass ältere Menschen im Laufe ihres Lebens mehr zur Klimakrise beigetragen haben, deren Folgen jedoch die jüngeren wesentlich mehr zu spüren bekommen werden) und
- das globale Gerechtigkeitsprinzip (das verlangt, dass reichere Länder, die historisch Hauptverursacher des Klimawandels sind, mehr Kosten dafür tragen sollten als ärmere Länder).
Um die Zustimmung zu diesen vier Gerechtigkeitsdimensionen zu erfassen, wurden die Befragten gebeten, die vier Dimensionen jeweils im Vergleich mit der Aussage zu bewerten, dass grundsätzlich alle Menschen bzw. Länder den gleichen Beitrag zum Klimaschutz leisten sollten.
Die Ergebnisse zeigen folgendes Bild:
Das „polluter pays“-Prinzip scheint eine Mehrheit aller Typen zu unterstützen: Zwei Drittel der Involvierten befürworten diese Gerechtigkeitsvorstellung. Obwohl sich bei den Enttäuschten und Wütenden die „polluter pays“-Aussage mit der „Gleicher Beitrag für alle“-Aussage etwa die Waage hält, gibt es keinen Typ, bei dem die Mehrheit der Ansicht ist, dass grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger den gleichen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten sollten, unabhängig des persönlichen CO2-Ausstoßes.
„Die Oberen, die müssen sich nicht daranhalten, nur wir müssen das, die Kleineren, der Mittelstand, soweit es den noch gibt. Die Armen, sage ich mal (...). Die sollen sich dranhalten, nur die Oberen halt nicht, und das ist nicht in Ordnung. Wenn, dann müssten die auch mitmachen.“
Etablierte
Eine gerechte Lastenverteilung des Klimaschutzbeitrags nach Einkommensverhältnissen findet grundsätzlich die stärkste Zustimmung bei allen Typen: 65 % aller Befragten sind für einen einkommensabhängigen Beitrag zum Klimaschutz. 32 % sprechen sich hingegen dafür aus, dass alle den gleichen Beitrag leisten sollten. Dies bestätigt die bereits gewonnene Erkenntnis, dass die Bezahlbarkeit für Verbraucher:innen für viele Menschen eine Voraussetzung von guter Klimapolitik ist. Einzig die Etablierten und Pragmatischen sind etwas seltener der Meinung, dass wohlhabende Menschen mehr zum Klimaschutz beitragen sollten als einkommensschwächere Bürgerinnen und Bürger – dennoch sind bei beiden Typen noch immer jeweils 56 % der Befragten der Meinung, dass der Beitrag zum Klimaschutz einkommensabhängig sein sollte.
Ein Unterschied beim Beitrag zum Klimaschutz auf der Basis unterschiedlicher Generationszugehörigkeit ist für keinen der Typen Bestandteil gerechter Lastenverteilung. Im Gegenteil, alle Typen sind der Ansicht, dass jüngere und ältere Menschen grundsätzlich den gleichen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten sollten. Einzig die Pragmatischen sind ein wenig häufiger der Ansicht, dass ältere Menschen mehr zum Klimaschutz beitragen sollten als jüngere, weil jüngere in Zukunft ohnehin mehr von der Klimakrise betroffen sein werden. Doch auch bei ihnen beläuft sich die Zustimmung zu dieser Aussage lediglich auf ein Drittel.
Die deutlichsten Unterschiede in der Bewertung von Gerechtigkeitsdimensionen gibt es bei den Ansichten zu globaler Gerechtigkeit. Hier treten klare Unterschiede zwischen den sechs Typen zutage: Für eine Mehrheit der Offenen und der Involvierten ist ein vergleichsweise hoher Beitrag wohlhabender Länder zum Klimaschutz ein signifikanter Teil ihres Gerechtigkeitsverständnisses. Die Wütenden, und in geringerem Maße auch die Enttäuschten, sind dagegen mehrheitlich der Ansicht, dass grundsätzlich alle Länder in der Welt den gleichen Beitrag leisten sollten. Auch machen ihre Äußerungen deutlich, dass erst einmal andere Großemittenten, wie die USA oder China, ihren Beitrag leisten sollten, bevor Deutschland eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz übernimmt.
„Es nützt gar nichts, solange es global nicht … es gibt ja leider Länder, die noch viel schlimmere Übeltäter sind. Es gab einen Donald, der geleugnet hat, dass es den Klimawandel überhaupt gibt. Und solange diese großen Nationen sagen, es interessiert mich alles nicht, wird es auch nichts.“
Wütender
Fazit & Empfehlungen
- Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit ernst nehmen: Beim Großteil der Menschen scheint die Annahme, dass Klimaschutz für sie persönlich zu höheren Kosten (als ohne Klimaschutz) führen wird, fest verankert zu sein. Dies sollte von der Politik ernst genommen werden und soziale Gerechtigkeit sollte zu einer Leitlinie der anstehenden Transformation werden. Klimakommunikator:innen sollten dieses Thema ebenfalls entschieden aufgreifen, indem sie dem vereinenden Wunsch nach einer für die Menschen bezahlbaren Klimapolitik zu mehr Gehör verhelfen und sich für mehr soziale Gerechtigkeit in der Klimapolitik aussprechen, um die Breite der Bevölkerung abzuholen. Außerdem sollten Klimakommunikator:innen darauf verweisen, dass auf langfristige Perspektive Klimaschutz im Vergleich zu ausbleibendem Klimaschutz in jedem Fall finanzielle Kosten spart, wenn z. B. existenzschädigende Extremwetter-Ereignisse verhindert bzw. deren Schäden verringert werden.
- Ansätze der Bürger:innenbeteiligung bekannt machen: Die Mehrheit der Gesellschaft wünscht sich mehr Mitgestaltung in der Klimapolitik. Dabei stellt sich einerseits die Frage, wie Beteiligungsformate gestaltet werden können, dass sie zum einen der erforderlichen Ambition und Geschwindigkeit des Klimaschutzes gerecht werden. Andererseits gilt es, verschiedene Arten der Mitgestaltung anzubieten, damit möglichst viele verschiedene Typen Beteiligungsprozesse als authentisch wahrnehmen und sich tatsächlich zur Teilnahme eingeladen fühlen. Lösungsansätze zu dieser Frage werden für das Gelingen, die Legitimität und den sozialen Rückhalt von Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland entscheidend sein. Die Forschung zu sogenannten losbasierten Bürger:innenräten zeigt, dass diese Teil der Lösung sein können. Klimakommunikator: innen sollten daher evidenzbasierte und in der Praxis erprobte Ansätze der Bürger:innenbeteiligung wie Bürger: innenräte aufzeigen und bekannter machen. So werden Sorgen um fehlende Mitbestimmung reduziert und Interesse an neuen Beteiligungsansätzen geweckt.
- Offen gegenüber anderen Gerechtigkeitsvorstellungen sein: Gerechtigkeit ist ein für die Menschen fundamental wichtiges, aber gleichzeitig auch sensibles Thema. Die unterschiedlichen Weltanschauungen der Typen stützen unterschiedliche Auffassungen davon, was als gerecht und ungerecht verstanden wird. Klimakommunikator:innen sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass ihr persönliches Gerechtigkeitsempfinden nicht unbedingt von allen anderen Bevölkerungsgruppen geteilt wird. Sie sollten offen für andere Sichtweisen sein, die ihre Kommunikation mit neuen Zielgruppen bereichern und stärken können. Sie sollten sich in der Kommunikation durch neugieriges und empathisches Fragen und Zuhören auf die Suche nach dem Gerechtigkeitsverständnis der Zielgruppe machen und von dem Verständnis des Gegenübers ausgehend in den Dialog gehen.
Erkenntnisse aus der More in Common Klimastudie
Generelle Einstellung zum Klimawandel
Viel Gemeinsamkeit zwischen den Typen gibt es mittlerweile bei der grundlegenden Problemdiagnose: Weite Teile der Bevölkerung machen sich Sorgen über den Klimawandel. Diese grundsätzliche Einstellung ist dabei – mit Unterschieden im Nachdruck – bei allen Typen mehrheitlich dieselbe, selbst bei misstrauischen Typen wie den Wütenden. Die progressiven Offenen und Involvierten, aber auch die eher wertkonservativen Etablierten sind am besorgtesten.
Ebenso dominiert bei allen Typen die Sorge über Naturverlust: Die Zukunft der Artenvielfalt, der Landschaften sowie der Meere und Ozeane treibt die Menschen in allen Teilen der Gesellschaft um.
Gute Klimapolitik
Klimaschutz liegt bei drei der sechs Typen verlässlich oben auf der politischen Prioritätenliste: bei den Offenen, den Involvierten und den Etablierten. Bei den drei anderen Typen gibt es weitere Themen, die ihre Aufmerksamkeit genauso oder sogar stärker auf sich ziehen: Bei den Pragmatischen, die großen Wert auf das persönliche Fortkommen in der Leistungsgesellschaft legen, ist der Klimafokus weniger ausgeprägt und konkurriert teils mit der Stärkung der Wirtschaft. Bei den stark auf soziale Gerechtigkeit pochenden Enttäuschten, aber auch bei den Wütenden sind unter anderem Fragen der Alterssicherung und der sozialen Ungleichheit im Vergleich noch drängender. Zugleich ist bei denjenigen Typen, die dem politischen System wenig Vertrauen entgegenbringen, noch die Angst vor einer überfordernden und nicht lebensgerechten Klimapolitik zu spüren.
Die Menschen nehmen das Klimaproblem natürlich auch im globalen Kontext wahr. Hier sehen die meisten eine weitere Ebene, auf der das Handeln gefühlt eher scheitert denn gelingt. Dies befördert Gefühle der Resignation. Vor allem progressive Typen wie die Offenen und Involvierten fordern dennoch eine „Vorleistung“ Deutschlands im internationalen Vergleich, während die anderen Typen häufiger auf andere Länder „warten“ wollen.
Hier geht’s zur ganzen More in Common Klimastudie.
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