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Die Pragmatischen

Hier präsentierten wir die Ergebnisse unserer Studie, die auf die Arbeit von More in Common Deutschland aufsetzt.

Eine illustrative Darstellung zum Gesamttyp

Den Pragmatischen ist eine starke Wirtschaft durchaus wichtig. Zugleich sind sie wie die meisten anderen Typen der Meinung, dass der Klimaschutz im Zweifelsfall Vorrang haben sollte (55 % gegenüber 42 %, die sagen, die Wirtschaft sollte Vorrang haben). Die Pragmatischen sind einer der wenigen Typen, die Potenziale für eine starke Wirtschaft betonen, die sich mit den Zielen des Klimaschutzes vereinbaren lässt. Während sie in den Bereichen wirtschaftliche Entwicklung und vor allem auch Verkehr und Mobilität großen Änderungsbedarf sehen, teilen sie nicht grundsätzlich die pessimistische Ansicht anderer Typen, dass diese Entwicklungen unmöglich sind. Auch die Beobachtung, dass sich die Natur während der Corona-Lockdowns ein Stück weit erholen konnte, gibt ihnen Zuversicht. Der in der Klimadebatte vielfach beschworene vermeintliche Zielkonflikt zwischen einer erfolgreichen Wirtschaft und einem gesunden Klima besteht für die Pragmatischen nicht zwangsläufig: Aus ihrer Sicht können effiziente Innovationen den Erfolg von beidem vereinen.

Ich denke, die Mobilität wird sich in den nächsten Jahren ändern und auch das Energiemanagement. Wie es gewonnen wird, wie es verteilt wird und wie es genutzt wird. (…) Die Frage ist nur, wie schnell das vonstattengeht. Weil es verschiedene Größen gibt, die es immer wieder ausbremsen. Auch vorher schon die ganzen Jahre."

Mit Blick auf die Frage nach Engagement zum Klimaschutz geben fast ein Fünftel der Pragmatischen an, in den letzten zwölf Monaten eine Partei wegen ihrer Klimapolitik gewählt zu haben. Sie liegen mit dieser Antwort mittig zwischen den Offenen und Involvierten einerseits (um die 30 % von ihnen haben eine Partei aufgrund ihrer Klimapolitik gewählt) und den Wütenden, Enttäuschten und Etablierten andererseits (bei diesen drei Typen sind es um die 10 %). Dass eine Wahlentscheidung kein längeres persönliches Commitment nach sich zieht, scheint gerade bei diesem Segment gut anzukommen. Bei solch kurzlebigen Engagementformen gruppieren sich die Pragmatischen eher zu den Offenen und Involvierten: Sie geben mit am häufigsten an, sich in den vergangenen zwölf Monaten bei einer Klimaschutzorganisation engagiert zu haben oder sich in ihrem Arbeits- oder institutionellen Kontext im letzten Jahr für den Klimaschutz eingesetzt haben.

Formen des Engagements, die direkte persönliche Kommunikation oder stetiges Involvement erfordern, schrecken die Pragmatischen hingegen eher ab. Hier ähneln sie wesentlich mehr den Enttäuschten und Wütenden mit ihren niedrigeren Engagementwerten. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Pragmatischen eine aktivistische Zuschreibung ablehnen, einmalige Angebote des “Anpackens” jedoch punktuell durchaus für sie von Interesse sein können. Diskussionen um die moralische Richtigkeit und Wichtigkeit des Klimaschutzes lehnen sie deshalb eher ab. Auch das Engagements-Angebot bestehender Organisationen finden die Pragmatischen häufig wenig attraktiv. Gleichzeitig rationalisieren die Pragmatischen individualisierte Verhaltensweisen dadurch, dass am Ende jede Person für ihre eigenen Handlungen verantwortlich sei und man diese Verantwortung nicht an eine Organisation auslagern könne.

Abbildung 20: Ansichten zur Mitbestimmung der Bevölkerung beim Klimaschutz
Aussage A = Die Regierung sollte möglichst schnell umfassende Maßnahmen zum Klimaschutz Deutschlands ergreifen, ohne die Öffentlichkeit in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Aussage B = Die Regierung sollte keine umfassenden Klimaschutzmaßnahmen ergreifen, ohne die Öffentlichkeit in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen

Die Pragmatischen unterscheiden sich zudem von vielen anderen Typen in ihrer Haltung zu mehr politischer Mitbestimmung. So ist dieser Typ im Durchschnitt am seltensten der Ansicht, dass es „mehr Möglichkeiten politischer Mitbestimmung in Deutschland“ geben müsse (nur 18 % stimmen dieser Aussage voll und ganz zu, verglichen mit einem Durchschnitt der Typen von 29 %). Diese Haltung zeigt sich auch bei unserer Gegenüberstellung von schnellem Handeln und Partizipation der Öffentlichkeit bei der deutschen Klimapolitik. Die Teilnahme an Entscheidungsprozessen ist im Vergleich zu anderen Typen für die Pragmatischen eher zweitrangig.

Ein autonomer Elektrobus ‘EMMA’ in Mainz, 2018.

Chancen

  • Kompakte, handfeste Aktionen zum Anpacken anbieten: Um die Pragmatischen zu erreichen, sollten zivilgesellschaftliche Organisationen niedrigschwellige und spontane Formate anbieten, die sich durch handfeste Aktionen und einen überschaubaren zeitlichen Einsatz auszeichnen. Eher abschreckend wirken für die Pragmatischen gefühlsbetonte Appelle sowie Diskussionen und Streitgespräche, um sie von der moralischen Richtigkeit der globalen Klimaschutzbewegung zu überzeugen. Erfahrungsberichte Gleichgesinnter hingegen, die davon erzählen, wie stolz sie auf ihr Engagement sind und dass es ihnen Freude macht, sich einzubringen, können großes Motivationspotenzial für diesen Typ der Pragmatischen haben.
  • Potenzial von Klimaschutz als Innovationstreiber aufzeigen: Der ökonomische Fokus der Pragmatischen bedeutet, dass sie für Framings, die die wirtschaftliche Chance einer modernen und zukunftsfähigen Klimapolitik hervorheben, empfänglich sind. Klimaschutz, der neue Arbeitsplätze schafft und Deutschland nachhaltig zu einem innovativen Industriestandort macht, erscheint den Pragmatischen durchaus erstrebenswert. Typgerechte Formate wie kurze Videos in den sozialen Medien sind dabei ein guter Weg, um eine klimafreundliche Lebensweise als neue soziale Norm der modernen deutschen Gesellschaft zu verbreiten.

Risiken

  • Vorsicht vor Druck zu politischer Positionierung in einer polarisierten Debatte – durch Freude am Handeln Lust machen, den eigenen Beitrag zu leisten: Mit Blick auf die Pragmatischen besteht die Gefahr, dass Klimaschutz zu sehr politisiert wird. Für einen Typ, der grundsätzlich mit dem bestehenden politischen System zufrieden ist und dem mehr politische Mitbestimmung nicht unbedingt erstrebenswert erscheint, können ideologisch aufgeladene Konflikte zwischen links-progressiven und rechts-konservativen Polen abschreckend wirken. Klimakommunikator:innen sollten deshalb darauf achten, dass sie die Pragmatischen bei der Ansprache nicht unter Druck setzen, aus ihrem gelegentlichen Engagement ein politisches Statement machen zu müssen. Stattdessen sollten Klimakommunikator: innen betonen, dass jede einzelne Aktion, jeder Beitrag stark hilft und zu den Veränderungen beiträgt, die in vielen Lebensbereichen möglich und nötig sind. Ein Verweis auf den (kurzfristigen) Beitrag der Corona-Pandemie zum Klimaschutz kann hier hilfreich sein.
  • Vorsicht vor Verwechslung mit den jungen Offenen – durch zielgruppenspezifische Ansprache Interesse wecken und zum Handeln motivieren: Da die Pragmatischen tendenziell jünger sind, werden sie oft mit Fridays-for-Future-Demonstrierenden, die eher den aktivistischen Offenen zuzuordnen sind, in eine Schublade gesteckt. Das birgt die Gefahr, dass die Pragmatischen von der Klimabewegung in ihren unterschiedlichen Einstellungen nicht in der Kommunikation berücksichtigt werden und daher anderen Werten und Lebensthemen wie dem privaten Fortkommen, eigenem Erfolg und der freien Ausgestaltung des eigenen Lebensstils zukünftig eher nachgehen als wirkungsvollen, handfesten Aktionen für den Klimaschutz. Klimakommunikator:innen und besonders die junge Klimabewegung sollten aus diesem Grund die eher jungen Pragmatischen mit ihrer Lust am handfesten Handeln zu klimaschützenden Aktivitäten niedrigschwellig einladen und zeigen, wo Klimaschutz für sie persönlich relevant ist.

Empfehlung

  • Evidenzbasiert und logisch für den Mehrwert von Klimaschutz werben: Die Pragmatischen argumentieren sehr rational. Diese Rationalität führt zu großer Besorgnis über das Klima – man kann die Auswirkungen bereits sehen und spüren. Entschlossenes Handeln ist pragmatisch, wenn man bedenkt, dass sich die Auswirkungen der Klimakrise in Deutschland rapide beschleunigen. Ähnlich wie bei den Offenen wird eine Kombination aus Unterstützung von klimafreundlichem und Erschweren von klimaschädlichem Verhalten als effektivstes Mittel zum Klimaschutz gesehen. Narrative, die evidenzbasiert argumentieren (“die Fakten sind eindeutig”) und auf “knackige” Art und Weise auf Werte des “selbstverständlichen” logischen Handelns im eigenen Interesse der/des Einzelnen anspielen, können die Zustimmung dieses Typs gewinnen.

Weiter:
Die Enttäuschten

 

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