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Meinungsführer:innen und gesellschaftliches Engagement

Einige Erkenntnisse über die Einstellung zum Klimawandel sowie Wünsche an eine gute Klimapolitik wurden bereits durch die Klimastudie von More in Common erforscht und zusammengefasst. Hier präsentierten wir die Ergebnisse unserer Studie, die auf die Arbeit von More in Common Deutschland aufsetzt.

Vertrauen in Organisationen, prominente Personen & Meinungsführer:innen

Wir wissen bereits, dass im Durchschnitt bei allen Typen in Klimafragen Klimaforscher:innen am meisten Vertrauen entgegengebracht wird, gefolgt von Umweltorganisationen.

Die Wissenschaftler wären für mich eigentlich die erste Stimme. (…) Und wenn die Wissenschaft ziemlich eindeutig der Meinung ist, dass da was im Argen liegt, dann neige ich auch dazu, es zu glauben.”

Wütender

Betrachtet man als Botschafter:innen für Klimaschutz nun einzelne Personen, sind klare Unterschiede bei den Einschätzungen der möglichen Botschafter:innen zwischen den Typen zu erkennen. Wir unterscheiden hier zwischen Persönlichkeiten, die sich speziell zum Klimaschutz äußern und eine fundierte Expertise dazu an den Tag legen, und solchen, die prominent, aber bislang keine bekannte Figur in der Klimadebatte sind. So vertrauen die Involvierten Eckart von Hirschhausen, Nachrichtenjournalist:innen und auch Mai Thi Nguyen-Kim relativ stark, sehen allerdings Günther Jauch und Sebastian Vettel kritischer als dies z. B. die Etablierten tun. Die Etablierten hingegen vertrauen klassischen prominenten Persönlichkeiten am stärksten, wie Günther Jauch, Eckart von Hirschhausen, Olaf Scholz oder Papst Franziskus – scheinbar unabhängig von ihrer jeweiligen bisherigen Expertise zur Klimakrise. Deutlich ist ebenfalls, dass die Enttäuschten und die Wütenden – im Einklang mit ihrer misstrauischen Grundhaltung – ganz grundsätzlich allen Personen als Botschafter: innen für Klimaschutz weniger vertrauen als dies die anderen Typen tun.

Abbildung 8: Vertrauen in Meinungsführer: innen

Als besonders glaubwürdige Botschafter:innen bei Klimafragen, im Durchschnitt vor allen anderen abgefragten Personen, nannten die Befragten die eigene Familie und eigene Bekannte. Auf der Grundlage bisheriger psychologischer Forschung ist dies erwartungskonform, da das eigene Umfeld vermutlich als besonders kompetent und weniger parteiisch als andere Personen des öffentlichen Lebens erfahren werden. Somit kommen den Meinungsführer:innen aus dem eigenen lokalen oder engeren Umfeld der verschiedenen Typen eine bedeutende und bislang nicht ausreichende Rolle in der Klimakommunikation zu.

Die Typen nehmen derzeit hauptsächlich Politiker:innen oder Umwelt- und Klimaschutzorganisationen (z. B. Fridays for Future oder Greenpeace) als Meinungsführer:innen in der Debatte wahr. Das bedeutet, dass diese Bevölkerungsgruppen also – zunächst unabhängig von der wahrgenommenen Kompetenz und Glaubwürdigkeit bei Klimafragen – als welche wahrgenommen werden, die häufig in der Öffentlichkeit zu Wort kommen, gehört werden und die Meinung der Bevölkerung prägen.

Dabei werden Aussagen von Politiker:innen bzw. Parteien von allen Typen meist kritisch bewertet und als unglaubwürdig angesehen, da diese Klimaschutz zwar propagieren, ihn aber selbst nicht vorleben würden. Diese Sichtweise ist auch bei den Etablierten, die dem politischen System grundsätzlich wohlwollend gegenüberstehen, verbreitet.

Da habe ich mich vorher noch ganz aktuell wahnsinnig darüber aufgeregt. (…) Wenn ich dann aber höre, dass ein Olaf Scholz nach Kiew fliegt, sich da trifft, abends wieder nach Hause fliegt, um am nächsten Tag nach Moskau zu fliegen, da frage ich mich immer, was das für Vorbilder sind.“

Etablierter

Auch die Grünen werden zwar von vielen Typen schnell mit Klimaschutz in Verbindung gebracht, doch verbinden die wenigsten damit besondere Erfolgsgeschichten. In den Fokusgruppen wird deutlich, dass die Partei für die Involvierten bisher nicht genug getan hat. Als einzige konkrete Positivbeispiele politischer Meinungsführer:innen werden Angela Merkel (von den Involvierten) und Annalena Baerbock (von den Offenen) genannt.

Ich habe gestern einen Artikel gelesen, dass unsere Außenministerin Frau Baerbock ja jetzt keine Regierungsflieger nutzen möchte, sondern auf Linienflüge umsteigen möchte bei ihren Außenterminen. Ich glaube, das ist schon ein gutes Signal an uns, an die Bevölkerung. Wenn man sagt, wir fangen an, es geht auch anders.“

Offener

Im Vergleich zu den Meinungen zu Politiker:innen bzw. Parteien sind die Meinungen zu Umwelt- & Klimaschutzorganisationen wie Greenpeace und besonders der Fridays-for Future-Bewegung bei allen Typen gespalten. Fridays for Future hat mit ihren Demonstrationen und Protestaktionen dem Klima zu einer großen Aufmerksamkeit in den Medien verholfen. Von den Wütenden abgesehen, erkennen alle Typen diesen positiven Beitrag an und betonen ihre generelle Unterstützung und teils auch Bewunderung für die Sache. Gleichzeitig gibt es bei jedem Typ auch kritische Stimmen, die hinterfragen, ob es den jungen Protestierenden tatsächlich um den Klimaschutz geht oder ob sie „nur zum Spaß“ an Aktionen teilnehmen. Es wird auch angemerkt, dass mehr Respekt und eine kompromissfreudigere Haltung der Bewegung guttun würden, um wirklich etwas zu bewirken. Kritik bezieht sich also, wie z. B. bei den Involvierten, häufig auf einen Mangel an Tugenden oder auf die Wahrnehmung, dass Demonstrierende hinter den moralischen Idealvorstellungen des jeweiligen Segments zurückbleiben.

Abbildung 9: Ansichten zur Fridays-for-Future-Bewegung

Auf die Frage, wessen Stimme bei der Klimakrise mehr Gehör geschenkt werden sollte, ergaben sich nur wenige konkrete Vorschläge. Die Offenen und Involvierten verwiesen hierbei als einzige Typen auf konkrete zivilgesellschaftliche Akteure wie die Kirchen oder auch kleinere Gruppen, wie z.B. Fußballvereine, den lokalen Alpenverein oder Tierschutzverein. Einige Teilnehmende wünschten sich eine deutlichere Positionierung der Wirtschaft beim Klimaschutz, wobei bei der Äußerung nicht eindeutig ist, ob es dabei primär um eine Beteiligung an der Klimadebatte oder eher um klimafreundliche Maßnahmen ging.

Ich finde immer ganz wichtig so kleine Gruppierungen. Auch so städtische. Egal ob es der Alpenverein ist, der Tierschutzverein. Ich finde, man muss es nicht so deutschlandweit … muss man es natürlich schon auch sehen. Aber ich finde sehr wichtig, dass Kleinere unterstützt werden. Egal ob es ein Sportplatz ist, der jetzt vielleicht am Fußballplatzrand einen Grünstreifen machen will.“

Involvierte

Bei anderen Typen sind weitere Vorschläge für vertrauensvolle Meinungsführer:innen deutlich vager oder nicht existent. So wünschen sich die Wütenden ganz generell ein stärkeres Auftreten von Wissenschaftler:innen in der Klimaschutzdebatte, wohingegen manche Enttäuschte angeben, schlichtweg nicht noch mehr über das Thema hören zu wollen.

Finde ich jetzt nicht [dass es jemanden gibt, von dem/der man gerne mehr zum Klimathema hören will]. Muss ich jetzt nicht öfter hören.“

Enttäuschter

Gesellschaftliches Engagement für den Klimaschutz

In Bezug auf gesellschaftliches Engagement lassen sich Handlungen auf drei Ebenen unterscheiden – Verhaltensweisen und Konsumentscheidungen im Alltag, gesellschaftliches Engagement und unmittelbar politisches Engagement. Im Rahmen dieser Studie haben wir hauptsächlich Aktionen unter die Lupe genommen, die eine kommunikative bzw. kollektive Dimension haben:

  • Ebene 1: über das Klima reden oder Beiträge dazu in den sozialen Medien teilen
  • Ebene 2: sich für den Klimaschutz im sozialen Umfeld einsetzen. Dies geschieht in Form von Einzelaktionen, aber auch als stetiges Engagement unter Einsatz von Zeit und/oder Geld
  • Ebene 3: politische Aktivität für den Klimaschutz, z. B. bei Petitionen, Demonstrationen oder Sprechstunden für Bürger:innen

Zwischen 43 % und 69 % eines jeden Typs geben an, in den letzten zwölf Monaten mit anderen über den Klimawandel oder Klimaschutz gesprochen zu haben. Während keine Aussagen zum Ton oder dem Ausgang dieses Gesprächs getroffen werden können, zeigt dies jedoch deutlich, welche prominente Rolle das Thema bei vielen Menschen im Leben einnimmt. Gleichzeitig sind die Anteile derer, die über das Klima reden, je nach Typ unterschiedlich groß. Bei den Wütenden, Enttäuschten, Pragmatischen und Etablierten liegt der Anteil bei etwa 45 %. Bei den Offenen und Involvierten hingegen geben dies durchschnittlich 66 % der Befragten an.

Im Umfeld, in der Familie wird viel diskutiert. Ich habe vier Kinder, fünf Enkelkinder inzwischen. Das hat natürlich auch für die Zukunft eine wichtige Bedeutung.“

Etablierte

Abbildung 10: Persönliches Klimaschutz-Engagement

Bei den Wütenden, Enttäuschten und Etablierten gab jeweils eine Mehrheit an, sich nicht engagiert zu haben. Als Gründe hierfür werden in erster Linie fehlende Zeit, fehlende Möglichkeiten oder Initiativen, teils aber auch generelles Desinteresse genannt.

Eher nicht. Auch viel zu wenig Zeit dafür [für Klimaschutzengagement].“

Enttäuschter

Ich hatte das früher mal vor, bei Greenpeace einzusteigen. (…) Es war nicht so einfach, bei Greenpeace zum Beispiel einzusteigen. Es ist auch nicht so einfach, bei den Grünen … bei solchen Organisationen muss man vorher schon sehr viel gemacht haben, damit sie einen auch dann reinlassen.“

Pragmatische

Demgegenüber steht die Mehrheit der Offenen und Involvierten. Sie werden von den Möglichkeiten des persönlichen Engagements deutlich mehr angesprochen und machen den Eindruck, dass Ehrenamt und gesellschaftliches Engagement, wenn auch nicht unbedingt zum Klimaschutz, ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens sei.

Zum Beispiel bei uns auch mit Müll sammeln, wir haben so einen Grüngürtel, da treffen sich die Leute, kriegen Gummihandschuhe und einen Sack und sammeln mit. Oder vom NABU war mal eine Vogelzählung, weil ich einen kleinen Garten habe. Allein daran kann man es festmachen, dass der Klimawandel schon ziemlich weit fortgeschritten ist. Wenn man sieht, wie wenig Insekten es mittlerweile gibt und wie wenig Vögel, wenn man bei so einer Zählung mitmacht.“

Involvierte

Alle Befragten mit intensiveren Formen des Engagements (also alle, die auf die obige Frage wenigstens eine Antwortoption des Engagements der Ebenen 2 oder 3 ausgewählt haben), erhielten eine Folgefrage. Diese zielte darauf ab, zu erfahren, welche Gefühle die genannten Formen des gesellschaftlichen Engagements bei den Befragten auslösen. Im Durchschnitt überwiegen bei Befragten, die sich aktiv engagieren, in Bezug auf ihr Engagement die angenehmen Gefühle von Verantwortungsbewusstsein, Hoffnung und gemeinschaftlicher Teilhabe. Die unangenehmen Gefühle der Hilflosigkeit, Frustration und auch Isolation werden über alle Typen hinweg seltener als Assoziationen zu ihrem Engagement für Klimaschutz genannt.

Abbildung 11: Emotionen beim Engagement für den Klimaschutz

Fazit & Empfehlungen

  • Mit Menschen im direkten Umfeld über eigenes Engagement und weitere Handlungsmöglichkeiten im Klimaschutz sprechen: Ein großer Teil aller Typen spricht bereits über das Klima mit anderen. Gleichzeitig vertrauen die meisten am ehesten ihrer Familie, Freund:innen und Bekannten als glaubwürdige Botschafter:innen zu Klimafragen. Daraus ergibt sich eine klare Chance für Klimakommunikation: Wenn Menschen in ihrem Umfeld über ihre Wahrnehmung, Sorgen und Hoffnungen zum Klima sprechen und teilen, was sie bereits für den Klimaschutz tun, wirkt dies authentisch und hat einen potenziell großen Wirkungskreis. Geschichten von wirkungsvollem, sinnstiftendem Engagement zu finden, diese zugänglich und bekannt zu machen sowie auf viele neue Handlungsmöglichkeiten für verschiedene Lebensrealitäten verschiedener gesellschaftlicher Typen hinzuweisen, stellt somit ein Kernstück erfolgreicher lokaler und regionaler Klimakommunikation dar.
  • Menschen durch Positivbeispiele zum eigenen Handeln ermutigen und befähigen: Wir wissen bereits aus anderen Studien, dass die Klimakrise bei vielen Menschen Gefühle der Hilflosigkeit auslöst. Diese Studie zeigt jedoch, dass Menschen, die sich aktiv, persönlich und kollektiv für den Klimaschutz einsetzen, sich seltener hilflos, frustriert oder einsam fühlen. Das ist ein ermutigendes Ergebnis, da zum einen das eigene Handeln hilft, Ohnmachtsgefühle zu überwinden, und zum anderen das notwendige persönliche Engagement dadurch „belohnt“ wird. Für die Klimakommunikation bedeutet dies, ihren Fokus auf Beispiele und Erfahrungsberichte von Menschen zu lenken, die bei ihren Aktivitäten Selbstwirksamkeit erfahren. Dies spendet Hoffnung und kann dabei helfen, vor allem jene Zielgruppen zu motivieren, die sich nach Verbindung und Gemeinschaft sehnen und diesen Bedürfnissen durch Engagement in einer Gruppe nachgehen können.
  • Als Entscheider:in selbst in Aktion treten: Politische Entscheidungsträger:innen können ihre Glaubwürdigkeit fördern, indem sie ihr eigenes Verhalten klimafreundlicher gestalten. Die Studie zeigt, dass die Menschen sehr genau schauen, ob die Regierenden versuchen, mit ihrem persönlichen Lebensstil ein Teil der Lösung zu sein.

Erkenntnisse aus der More in Common Klimastudie

Ton der Klimadebatte 

Obwohl die allermeisten Menschen über mehr Klimaschutz nachdenken, nehmen sie das Thema dennoch häufig als spaltend wahr. 80 % der Befragten finden, die derzeitige öffentliche Klimadebatte treibe die Menschen eher auseinander. Auch zwischen den Typen herrscht hier Einigkeit, besonders die Wütenden und Enttäuschten gehen voran. Man nimmt Gesprächssituationen nicht selten als konfrontativen Wettstreit zwischen Lebensstilen wahr, zum Beispiel zwischen Veganer:innen und Menschen, die tierische Produkte konsumieren.

Verhältnis zur Klimabewegung

Die Klima- und Umweltbewegung spricht in der allgemeinen Wahrnehmung bestimmte Bevölkerungsteile wesentlich umfassender an als andere. Insbesondere das Gefühl, von den entsprechenden Organisationen in der richtigen Sprache adressiert, ausreichend zum Mitmachen eingeladen und gesellschaftlich bedacht zu werden, schwankt erkennbar. Zum Beispiel glaubten 2021 lediglich 40 % der Enttäuschten, dass die Klima- und Umweltbewegung das Wohl der gesamten Gesellschaft im Blick habe – bei den Involvierten waren es 70 %. Momentan scheinen Klimaakteure also vor allem im entweder offen progressiven und/oder zufriedenen Teil der Gesellschaft besonders gut verankert, während das Verhältnis zu anderen Lebenswelten merklich schwächer ausfällt.

Hier geht’s zur ganzen More in Common Klimastudie.


Weiter:
Verantwortung gesellschaftlicher Akteure

 

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